AUSWIRKUNG DES KLIMAWANDELS LÄSST SICH BEOBACHTEN
Schon seit einigen Jahren befasst man sich bei den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg mit den Folgen des Klimawandels. Ein erster Anlass waren Veränderungen an den Oberflächen von barocken Gläsern der Sammlung in Schloss Favorite Rastatt. Das bis dahin unbekannte Phänomen war für die Fachleute der Staatlichen Schlösser und Gärten der Grund, Kontakt mit den hochspezialisierten Labors des Fraunhofer Instituts für Silicatforschung aufzunehmen. Der Einfluss der Umweltbedingungen auf das historische Material war der Gegenstand der sorgfältigen Prüfung – und eine Agenda für den Umgang und Erhalt mit den historischen Gläsern das Ergebnis.
VERÄNDERUNGEN IN DEN GÄRTEN SIND MESSBAR
Wie sehr sich der Klimawandel ganz direkt in den großen historischen Gärten bereits jetzt auswirkt, das wurde 2019 erstmals greifbar: Was bis zu diesem Zeitpunkt nur ein Verdacht aus Einzelbeobachtungen war, ließ sich durch Zahlen belegen. Die traditionellen Bäume leiden Schaden durch Hitze und Trockenheit – und die Zahlen der abgestorbenen und geschädigten Exemplare machten die Dimension messbar. „Stück um Stück mussten wir wahrnehmen, dass Veränderungen und Schäden in einen größeren Zusammenhang gehören“, erklärt Michael Hörrmann, der Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg. „Die Einbindung in das Fraunhofer-Forschungsprojekt ‚KERES‘ gehört zu unseren Maßnahmen, um die Monumente zukunftstauglich zu machen: unser Mittelfrist-Engagement, um die Schäden des Klimawandels zu bekämpfen. Und was ganz wichtig ist: Es geht nicht nur um unsere Gärten, sondern auch um die Gebäude und die Kunstwerke in den historischen Gebäuden.“
EIN INTERDISZIPLINÄRES PROJEKT
„KERES“ ist ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 1,97 Millionen Euro gefördertes Projekt, bei dem es darum geht. die Auswirkungen des Klimawandels mit Blick auf das kulturelle Erbe zu erforschen. Mit welchen Extremwetterereignissen ist in Deutschland zukünftig zu rechnen? Wie können Schäden an unwiederbringlichen historischen Stätten vermieden werden? Welche Maßnahmen sind langfristig erfolgreich und zudem ökonomisch sinnvoll? Unter Federführung des Fraunhofer ISC und des Fraunhofer EU-Büros Brüssel arbeiten an dem Projekt drei weitere Fraunhofer-Institute aus der Forschungsallianz Kulturerbe (Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP, Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie IMW, Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB) mit dem Climate Service Center Germany des Helmholtz-Zentrums Geesthacht sowie der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg zusammen.
IM FORSCHUNGSVERBUND CLIMATE HERITAGE NETWORK
Was geschieht konkret bei diesem Projekt? „Ein Ziel ist es, aus hochaufgelösten regionalen Klimamodellen Schadensrisiken für historische Gebäude und Gärten abzuschätzen und nachhaltige Präventions- und Notfallmaßnahmen für den Erhalt zu entwickeln. Damit wird das Projekt auch einen wichtigen Beitrag zum Europäischen Green Deal leisten“, erläutert Projektleiterin Dr. Johanna Leissner vom Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC mit Standort in Brüssel. Zugleich mit dem Projektstart im Dezember 2020 ist die Forschungsallianz Kulturerbe auch als erster deutscher Forschungsverbund dem „Climate Heritage Network“ beigetreten. Das internationale Netzwerk bündelt die Aktivitäten von Forschungs- und Kultureinrichtungen, die gemeinsam die Erreichung der Klimaschutzziele des Pariser Abkommens vorantreiben und Strategien des Umgangs mit den Folgen des Klimawandels entwickeln.
KULTURGÜTER FÜR NACHFOLGENDE GENERATIONEN ERHALTEN
Der Fokus bei KERES liegt auf der Zunahme von Extremklimaereignissen in Deutschland. Diese Ereignisse werden wesentlich öfter auftreten und damit auch die Schäden an Kulturgütern: Sie benötigen daher besonderen Schutz, um sie für nachfolgende Generationen zu erhalten. Im Vordergrund stehen dabei historische Gebäude und Monumente sowie historische Gärten und Kulturlandschaften mit ihren einzigartigen Pflanzensammlungen. Über einen Zeitraum von drei Jahren werden die zukünftige regionale Relevanz von Extremwetterereignissen, zu erwartende Schäden an Gebäuden und Außenanlagen sowie Maßnahmen zur Vermeidung und Bewältigung akuter Schadenslagen untersucht. Es kommen neue Simulationsverfahren zum Einsatz, um Auswirkungen von Extremwetterereignissen beurteilen zu können. Daraus lassen sich auf die jeweiligen Monumente des Kulturerbes individuell zugeschnittene Präventionsstrategien entwickeln.
INTERDISZIPLINÄRER WISSENSTRANSFER
Die Erkenntnisse werden auf einer Wissensplattform gebündelt, die Einrichtungen wie die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg sowohl bei der Prävention als auch im Notfallmanagement unterstützen soll. Zudem sollen die Ergebnisse aus dem KERES-Projekt direkt in die Arbeit der neugegründeten EU-Arbeitsgruppe „Strengthening Cultural Heritage Resilience for Climate Change (2021‒2022)“ einfließen. Bereits am 19. Januar 2021 nahm sie ihre Arbeit unter dem Vorsitz von Projektleiterin Dr. Johanna Leissner auf, die als Delegierte von der Bundesrepublik Deutschland in die EU-Arbeitsgruppe entsandt wurde.
Mitglieder des Expertengremiums in Deutschland
Brand- und Katastrophenschutzamt der Landeshauptstadt Dresden
Landesfeuerwehrverband Bayern
Bundesanstalt Technisches Hilfswerk
Max-Planck-Institut für Meteorologie
ICOMOS Deutschland
Deutsche Gesellschaft für Kulturgutschutz
SiLK-Sicherheitsleitfaden Kulturgut
Verband der Landesdenkmalpfleger
Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie des Freistaats Sachsen
Deutsche Bundesstiftung Umwelt
Generaldirektion Kulturelles Erbe, Rheinland-Pfalz
Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg
Römisch-Germanisches Zentralmuseum
Bayer. Verwaltung der staatlichen Schlösser und Gärten und Seen
Kultur und Arbeit e.V.
Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Ephorate of Antiquities of Heraklion, Griechenland
SERVICE
Alle Monumente der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg sind, ebenso wie alle Kultureinrichtungen des Landes, nach der aktuellen Corona-Verordnung mindestens bis zum 7. März geschlossen.